Liebes Tagebuch, 16.04.1926
ich bin Oskar
Heinz August Wilhelm Kusch und bin vor 10 Tagen 8 Jahre alt geworden. Ich wurde
am 6.4.1918 in Berlin geboren. Der Name Oskar Heinz gefällt mir nicht so
besonders gut, da meine Eltern bei meiner Geburt entschieden haben, dass ich
denselben Namen wie mein Vater tragen solle. Alle zusammen wohnen wir in der
Berchtesgardener Straße 26 in Berlin Schöneberg. Mein Vater, genannt Oskar
Heinz Kusch, ist Versicherungsdirektor und meine Mutter und ich sind froh, dass
wir ihn haben. Er bringt das Geld nach Hause und sichert uns so ein Leben in
Wohlstand. Sonst ist er wenig Zuhause und spricht auch nur wenig mit meiner
Mutter und mir. Er ist ein strenger, aber gerechter Vater. Meine Mutter heißt
Erna Auguste und bevor sie meinen Vater geheiratet hatte, hieß sie Kohls, so
wie mein Großvater. Sie ist sehr lieb und sorgt für mich. Sie macht den
Haushalt und kocht das Essen so, wie es sich für eine Hausfrau gehört.
Ich gehe in
die 3 Klasse der Volksschule in Berlin Schöneberg. Der Lehrer ist zwar sehr
streng und manchmal verteilt er auch Prügel, doch er ist ein guter Mann. Er war
es auch, jener mir ans Herz gelegt hat, gelegentlich Tagebuch zu schreiben, um
meinen Schriftstil zu verbessern und in der Rechtschreibung sicherer zu werden.
Ich denke,
ich werde diesen Rat befolgen und immer, wenn es etwas Neues in meinem Leben gibt,
es dokumentieren.
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes Tagebuch, 17.04.1928
heute war ein
ereignisreicher Tag. Ich habe mit dem Fahrrad, welches ich zum Geburtstag
bekommen habe, Fahren geübt. Ein Fahrrad war mein größter Wunsch und umso mehr,
habe ich mich darüber gefreut. Durch das Fahrrad bin ich viel freier und kann
auch größere Distanzen schnell zurücklegen. Ich bin das einzige Kind aus meiner
Straße, welches ein Fahrrad besitzt und alle Kinder wollen mit mir und meinem
Fahrrad spielen.
Das Fahren
war anfangs gar nicht so einfach, da ich noch nicht so gut an die Pedale komme,
doch mit etwas Übung, ist es mir eigentlich gut gelungen!
Am Samstag
hat mein Vater, nachdem er von der Arbeit gekommen war, mir beim Üben geholfen,
da meine Mutter mir befohlen hatte, meine Hosen nicht schmutzig oder gar
Löcher in meine Hosen zu machen.Doch in der nächsten Zeit werde ich nicht mehr
so viel zum Fahrradfahren kommen, da ich morgen das erste Mal die Deutsche
Freischar besuchen werde. Dann werde ich in die Bündische Jugend eintreten und
dort werde ich der Deutschen Freischar angehören und als Pfadfinder, wie auch
die meisten meiner Freunde, viel in der Natur unterwegs sein.
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes Tagebuch, 18.05.1928
ich
besuche jetzt schon seit einem guten Monat regelmäßig die Deutsche Freischar
und dort gefällt es mir sehr gut. Viele der Kinder aus meiner Straße sind
ebenfalls dort, aber zum Großteil sind es die Jungen. Nur vereinzelt gibt es
auch Mädchen, doch dies ist eher ungewöhnlich.
Viele Leute
sagen, dass die Deutsche Freischar liberalistisch sei und nachdem wir uns
geweigert hatten, an den Demonstrationen rechtsgerichteter Kreise gegen den
Young-Plan teilzunehmen, wurden wir sogar des Hochverrats bezichtigt. Mein
Vater war sich unsicher, ob ich weiterhin die Deutsche Freischar besuchen
solle, aber ich konnte ihn schlussendlich doch davon überzeugen.
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes Tagebuch, 11.08.1928
die Sommerferien sind bald vorbei und danach werde ich das Gymnasium
besuchen. Dies ist ziemlich ungewöhnlich, denn nur noch ein anderer Junge aus
meiner Klasse wird auch die Oberschule besuchen. Ich danke meinem Vater von
ganzem Herzen, dass er das benötigte Geld für das Gymnasium aufbringen konnte.
Außerdem bin ich ziemlich stolz über meine guten Zensuren und mein
ehemaliger Lehrer sagte, dass ich ein sehr talentierter und netter Bub sei, und
dass ich es bestimmt weit bringen werde. Es freut mich sehr ein Lob zu
bekommen, weil dies doch meine schulischen Leistungen bestätigt. Mit einem
bestandenen Reifezeugnis sind die Chancen für eine gute Anstellung und
Ausbildung viel größer. Ich freue mich schon sehr auf das Gymnasium, ich werde
neue, interessante Menschen kennen lernen und neue Fächer bekommen, wie zum
Beispiel 'Geschichte' und 'Heimat und Sachkunde Unterricht'. Auf Letzteres
freue ich mich schon sehr, da wir dort auch über die Meere sprechen werden und
ich mein Wissen ausbauen werde. Aber auch Geschichte finde ich sehr
interessant. Zum Beispiel werden wir über den Weltkrieg sprechen, da dieser
sehr nah zurückliegt. (Der Weltkrieg endete in meinem Geburtsjahr). Für meine
Eltern war dieser Krieg besonders schlimm, da nach dem Krieg die große
Inflation begann. Durch die Inflation wurden alle Lebensmittel sehr teuer, der
Lohn stieg zwar, doch alle Ersparnisse waren nichts mehr Wert und so verloren.
Ich kann mich nicht mehr an diese Zeit zurück erinnern, da ich erst vier Jahre
alt gewesen war, doch meine Mutter erzählt mir oft davon. Für meinen Vater muss
es eine sehr schwere Zeit gewesen sein. Alles wofür er hart gearbeitet hatte,
war verloren.
In Liebe, Oskar Kusch
Liebes Tagebuch, 05.01.1929
ich besuche
schon seit einigen Monaten das Gymnasium und ich habe schon viel gelernt. Ich
bin mir nun endgültig sicher, dass ich das Abitur machen werde und dann auf
eine Karriere in der Marine hoffen kann. Ich habe viele Bücher über die Marine
und mein Interesse über die See wächst mit jedem weiterem Buch. Meine Mutter
unterstützt mich in dem was ich tue und sie ist davon überzeugt, dass ich es in
der der Marine weit bringen werde. Aber auch mein Vater gibt mir halt, denn
auch er ist stolz, dass ich den ersten wichtigen Schritt zum Erfolg, den Besuch
des Gymnasiums, begonnen habe.
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes Tagebuch, 30.07.1932
dies ist seit langem wieder ein Tagebucheintrag und in der Zwischenzeit
ist auch sehr viel geschehen. Ich bin von der Spielschar in die Ringgemeinschaft
Deutscher Pfadfinder übergetreten. Kurz danach formierte sich der „Tahoe Ring“,
unter der Leitung von Heinz Schierer, Curd Lähn und Rudi Pallas. Vor ein paar
Monaten gründete Rudi Pallas einen neuen, kleinen, selbständigen Jugendbund,
welchem ich mich ebenfalls anschloss.
„Südlegion und Tahoe Ring“ stehen im „Geistigen Kreis“ um Stephan George.
Zusammen philosophieren wir, sowie auch schon im „Tahoe Ring“, und verbringen
schöne Stunden. Unsere philosophischen Diskussionen sprechen sich herum und vor
kurzem wurde ich, als ich für meine Mutter beim Kaufmann gewesen war,
angesprochen, dass diese philosophische Intensität ja außergewöhnlich sei. Wir
sprechen auch über humanistische Literatur, welche mich besonders interessiert.
Die Südlegion
ist für mich sehr wichtig, da sie einen großen Bestandteil meiner Freizeit in
Anspruch nimmt und ich mich dort weiterbilde. Dort werde ich auf das Leben
vorbereitet, aber neben dem Besuch der „Südlegion“ ist die Kunst meine große
Leidenschaft und ich verbringe den Rest meiner freien Zeit mit dem Zeichnen und
Malen.
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes Tagebuch, 04.03.1933
im letzten
Jahr ist viel passiert, doch die Geschehnisse sind nicht immer erfreulich. Die
Unterdrückung der Bünde ist vorrangeschritten und „Südlegion“ durfte so nicht
mehr weitergeführt werden. Die Gruppe wird jetzt versuchsweise von Rudi Pallas
als Spielschar in der Hitlerjugend weitergeführt, doch ich bin mir sicher, dass
sich unsere Interessen nicht mit denen aus der Hitlerjugend vereinbaren lassen.
Mir ist klar, dass wir in Zukunft, nicht mehr so frei handeln und unsere Meinung
sagen können, ohne Gefahr zu laufen dafür bestraft zu werden. Nach der
Machtergreifung am 30. Januar 1933 wurde der Hitlerjugend eine neue Zielsetzung
auferlegt: Der Nationalismus sollte das ganze Land dauerhaft fest in seiner
Gewalt haben. Doch dies ist in meiner Vorstellung nicht die Zielsetzung einer
Jugendgruppe und ich kann es auch nur schwer akzeptieren. Es macht mich
traurig, wenn ich an die alten Zeiten in der „Südlegion“ zurückdenke.
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes Tagebuch, 18.02.1935
die von mir
geführte Gruppe der Spielscharr (angehörig bis 1937) wurde offiziell aufgelöst.
Dies macht mich sehr traurig, da ich viel Engagement und Herzblut hinein
gesteckt habe. Durch die Auflösung meiner Gruppe bin ich aus der Hitlerjugend
ausgeschieden. Doch trotzdem werde ich versuchen der Gruppierung weiterhin
anzugehören, auch wenn sie illegal ist. Mir ist es bewusst, dass ich ein Risiko
eingehe, aber das ist es mir wert.
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes Tagebuch, 24.06.1936
in näherer
Zeit werde ich mein Reifezeugnis erhalten. Die Prüfungen, die ich bis jetzt
geschrieben habe waren sehr anstrengend und schwierig, doch ich werde nicht
aufgeben. Wenn ich dann hoffentlich mein Reifezeugnis habe, stelle ich mir eine
Zukunft bei der Marine vor und ich denke, es würde mir recht gut stehen. Mein
Traum ist es, eine hohe Stellung zu erreichen, wie Marineoffizier oder
Kommandant. U-Boote interessieren mich auch sehr und ich könnte mir vorstellen,
in Zukunft etwas mit U-Booten zu machen.
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes Tagebuch, 01.12.1936
vor geraumer
Zeit habe ich endlich mein Reifezeugnis im Hohenzollern Gymnasium Berlin-Schöneberg
erhalten! Ich bin so glücklich. All die Jahre habe ich darauf gewartet, meine
Schule beendet zu haben, und nun ist es endlich so weit. Ich kann zur Marine!
In wie fern ich dort Aufgaben übernehmen werde, weiß ich noch nicht so recht.
Meiner Meinung wäre Kommodore ein geeigneter Beruf für mich. So könnte ich auch
meine Familie ernähren. Momentan absolviere ich meinen Reichsarbeitsdienst
(RAD) bei der bündischen Jugend Pallas. Anfang Oktober begann ich die
Ausbildung. Es bereitet mir nicht viel Freude. Im Großen und Ganzen bin ich
aber ein beliebter Knabe. Zu manchen Zeiten ziehe ich mich vielleicht für ein
gutes Buch zurück, doch dafür habe ich einige gute Freunde wie Hans-Dietrich
Berger kennen gelernt. So ein sympathischer junger Mann. Er weiß genau wie man
sich rechtmäßig verhalten soll. Er ist ein großes Vorbild für mich. Trotz allem
ist es anstrengend und mühselig. Eine Schande mit so einem Dienst meine Zeit zu
vergeuden. Zum Glück muss ich nur noch bis Ende März durchhalten! Ein
Lichtblick… Aber alles ist besser als der abscheulichen NSDAP oder ähnlichem
anzugehören. Politik. Ein Thema worauf ich momentan nicht gut drauf zu sprechen
bin. Hitler beschließt menschenfeindliche Gesetze und kein gebildeter Mann oder
Bub tut etwas dagegen. So wurde erst heute beschlossen, dass die „Hitlerjugend“
auch rechtlich zum einzigen und umfassenden Träger der Jugenderziehung neben
Schule und in dem in seinen Einfluss immer mehr zurückgedrängten Elternhaus
wird. So etwas Antiliberales habe ich in meinem bisherigen Leben mir nicht zu
Ohren kommen lassen. Nun gehöre ich schon seit einigen Jahren der Südlegion an,
welche seit heute illegal ist. Kein Mensch oder eine Gruppe sollte illegal
sein. Jeder hat doch sein Recht so zu leben wie er es für gut hält. Hoffentlich
bin ich nicht der einzige Knabe dieser Meinung.
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes Tagebuch, 28.12.1936
dieses Gesetz
treibt manche noch in Wahnsinn. Jugendliche, die der HJ nicht beitreten, müssen
mit Nachteilen bei der Lehrstellen- und Arbeitssuche rechnen, sie können nicht
Mitglied in einem Sportverein sein und der Druck von seitens der Schule ist
immens. Auch den Eltern wird deutlich gemacht, dass ein Beitritt ihrer Kinder
erwartet wird. So sind öffentliche Bedienstete darauf angewiesen, ihre Kinder
anzumelden, andernfalls müssen sie mit ihrer Entlassung rechnen. Dies finde ich
schrecklich und es ist ein Zeichen, dafür das unser Land in einer festen Gewalt
steckt.
Vor allem
finde ich es nicht kompatibel, dass der Erhalt einer Arbeitsstelle von der
Anmeldung der Kinder in der HJ abhängig ist. Aber ohne die HJ hätte ich mein
Reichssport Abzeichen auch nicht machen können, und darauf bin ich auch sehr
stolz. Ich kann gut verstehen, dass es gespaltene Meinungen zu den neuen
Maßnahmen der HJ gibt, doch die Aktivitäten und die Gemeinschaft sind Ausschlag
gebenden für mich.
Liebes Tagebuch, 06.04.1937
vor drei
Tagen trat ich als Seeoffizier Anwärter in die Kriegsmarine ein. Schade, dass
Mutter oder Vater nicht dabei waren. Nun gehöre ich der Crew 1937a an. Mit
vielen anderen Leuten, wie Erwin Rau, Kapitänleutnant
Robert Hering oder U-Boot Kommandanten Emmo Hummer und Johann Walther Huth. Ich
kann noch nicht so viel darüber schreiben, aber bisher bereitet mir der
Beruf große Freude. Schon früh beschäftigte ich mit der Marine, ob in Büchern
von meinen Eltern oder mit Zeichnungen. Vielleicht liegt es auch an der Liebe
zum Vaterland oder einfach daran, dass ich mein Land verteidigen möchte. Ja,
das Vaterland und die Marine, zwei Angelegenheiten, die mir große Freude
bereiten. Ich denke ich bin befähigt für diesen Beruf.
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes Tagebuch, 21.09.1937
lange habe
ich es nicht geschafft, einen Eintrag zu verfassen, doch nun habe ich endlich
geschafft Zeit dafür zu finden. In den letzten Monaten bzw. Tagen ist viel
passiert. So ging meine Zeit bei der Infanterieausbildung bei der Schiffstammabteilung an der Ostsee in
Stralsund vorbei und ich machte ein Ausbildung auf dem Segelschulschiff „Gorch
Fock“. Diese Ausbildung endet leider morgen. Eine große Schande, ich mochte
dieses Schiff. Ein Schiff, ganz in weiß, mit weißen Segeln und einem Vogel
vorne dran. Etwas so bezauberndes habe ich selten zu Gesicht bekommen. Zudem
wurde ich heute zum Seekadetten befördert. Eine große Ehre für mich. Am 01.10.
werde ich hoffentlich zum Obermatrosen befördert. Die Glücksgefühle kann ich
kaum beschreiben. Ich habe es geschafft! In einigen Jahren bin ich dann
Oberleutnant zur See Oskar Kusch. Ja, jeder wir mich so ansprechen, ich werde
meine eigene Crew haben und Befehle geben. Ich werde das machen, was schon
immer mein großer Traum war. Keiner wird mich mehr davon abhalten.
Hitler
versucht immer mehr an die Macht zu gelangen. Eine schwere Zeit ist es gerade
hier in Deutschland. Im hohen Norden, bekommen wir zwar nicht viel mit, und
schon gar nicht, wenn wir auf See sind, aber trotzdem bewegt es mich. Wegen all
dieser Umstände trete ich nun endgültig aus der „Südlegion“ aus. Es war eine
schöne Zeit, die nun ihr Ende nimmt…
Ab übermorgen
werde ich auf dem Kreuzer „Emden“ meine Bordausbildung weiterführen. Wir werden
sogar eine Auslandsreise antreten. Ich war noch nie weit weg. Doch jetzt, habe
ich endlich die Chance dazu. Wohin es genau geht, ist mir noch unklar. Doch es
wird eine wundervolle Zeit werden, diesem bin ich mir bewusst.
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes Tagebuch, 03.04.1937
heute war mein erster Tag als
Seeoffiziersanwärter in der Kriegsmarine. Endlich darf ich ein Kriegsschiff
leiten, das wird mir große Freude bereiten. Eine Vielfalt an Waffen werde ich
kennenlernen, sehr beeindruckend. Es wird mir eine Ehre sein die Ich hoffe ich
kann ein guter Führer für die Soldaten sein.
In meiner
Crew (1937 A) sind viele ordentliche Männer. Mit Horst Freiherr von Luttitz
verstehe ich mich besonders. So ein gebildeter und vernünftiger Kerl. Hoffentlich kann ich meine Mutter beeindrucken,
dass ich es jetzt soweit geschafft habe! Ich vermisse Mutter und Vater jetzt
schon und erhoffe mir, sie bald wieder zu sehen.
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes Tagebuch, 17.04.1938
ich finde, ich habe mich bereits sehr gut
eingewöhnt. Das Leben auf dem Schiff macht mir sehr viel Freude.
Ich bin sehr stolz auf meine Eltern, die mich immer
unterstützt haben und versucht haben, meinen Traum Marineoffizier zu werden, zu
verwirklicht. Schon früh hat Mutter mir Marinebücher geschenkt.
Ich besaß
schon immer die Faszination an der Marine, der Seefahrt, der Fernweh und an der
Romantik ferner Länder. Aber auch der Reiz der technischen Vollkommenheit
moderner Kriegsschiffe und die Kameradschaft an Bord haben mich beeindruckt.
Liebes Tagebuch, 24.10.1938
seit gut
einem halbem Jahr bin ich nun schon auf dem Kreuzer. Die Auslandsreise ging
nach Fernost, es breitete mir sehr viel Freude. Ich und meine Crewkameraden
haben viele Späße gemacht. Eine lustige und zugleich wichtige Zeit geht vorbei.
So wurde ich am 1.Januar zum Oberstabsmatrosen befördert. Mein Körper sprühte
in diesem Moment nur von Glücksmomenten. Morgen werde ich erfahren, wie es mit
mir weiter geht.
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes Tagebuch, 01.11.1938
heute wurde ich zum Fähnrich zur See befördert.
Einer, der militärischen Dienstgrade der Bundeswehr für Marineuniformträger.
Dieser edle fünfzackige Stern leuchtet nun an meiner Uniform, was mich sehr
stolz macht! Die Schulterstücke meiner neuen Uniform bestehen aus marineblauem
Untergrund und silberfarbenen Schnüren. Ab sofort werde ich jetzt mit „Herr
Fähnrich“ angeredet und gegrüßt. Innerhalb meiner gesetzten Grenzen, kann ich
Mannschaften und Unteroffizieren ohne Portepee Befehle erteilen. Außerdem wird
mir nun endlich Zutritt zur Offiziersmesse gewährt.
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes Tagebuch, 15.02.1939
lange
habe ich dir nicht mehr geschrieben...Doch nun habe ich ein paar Minuten Zeit
dir meine vergangenen Tage und Wochen zu erzählen. Ich machte von dem September
letzten Jahres bis nun in diesem Moment die Auslandsausbildung, die auch noch
einige Monate andauern wird. Ich strenge mich hier sehr stark an um den
größtmöglichen Erfolg zu erzielen. Der Fleiß hat sich nun ausgezahlt. Heute Mittag
wurde ich zum Obersten Matrosen Befördert. Endlich!
Ich
werde mich nun wieder an die Arbeit machen und dir später wieder schreiben.
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes Tagebuch, 19.03.1939
ich schreibe dir heute um zu sagen, dass ich sehr
zufrieden mit meiner
aktuellen Lebensweise bin. Ich komme beruflich sehr gut voran und kann auf eine
weitere Beförderung hoffen. Der Oberfähnrich ist mit meiner Arbeit sehr
zufrieden und möchte noch einmal ein Auge auf mich werfen. Ich werde dir bald,
wenn ich Zeit habe, wieder schreiben.
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes Tagebuch, 26.05.1939
meine erhoffte Beförderung ist eingetroffen und ich darf
mich jetzt Fähnrich zur See nennen. Nun bin ich mit meinen noch jungen Jahren
einer der jüngsten Fähnriche hier. Nach der anstrengenden Auslandsausbildung
bin ich nun wieder zu Hause und kann mich mit Freunden und Verwandten treffen.
Meine Eltern und ich insbesondere mein Vater ist stolz, dass ich so erfolgreich
bin. Ich bin sehr glücklich, wenn ich sehe wie stolz mein Vater auf mich ist.
Ich werde nun mit Freunden ein wenig Kartenspielen gehen. Bis dann.
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes Tagebuch, 31.11.1939
ich habe zum wiederholten Mal einen Schritt in meiner Karriere
nach vorne gemacht. Ich wurde überraschender Weise zum Oberfähnrich befördert.
Das nächste was nun geplant ist, ist eine Ausbildung zum Wachoffizier im
nächsten Jahr.
Ich
werde mich wieder melden, wenn es soweit ist.
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes Tagebuch, 04.01.1940
ich
bin nun mitten in der Ausbildung zum Wachoffizier und in diesem Monat sieht
alles danach aus, dass ich in einem Jahr Wachoffizier sein werde.
Ich
habe nun in weniger als 2 Jahren mehrere Beförderungen bekommen und an mehreren
Ausbildungen teilgenommen.
Ich
freue mich sehr über diese Fortschritte meiner beruflichen Laufbahn und mache
mich nun wieder an die Arbeit.
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes Tagebuch, 27.03.1940
zurzeit bin ich auf dem leichten Kreuzer Emden
stationiert. Die Arbeit ist härter als ich dachte, aber ich habe Freude an
meinen Tätigkeiten. Ich freue mich auf weitere Tage auf See, doch frage mich,
wie es Mutter und Vater ergeht. Ich hoffe, dass meine Angehörigen nicht unter
den Schikanen Hitlers leiden und freue mich auf ein baldiges Wiedersehen.
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes Tagebuch, 02.05.1940
ich befinde mich mitten in meiner U-Bootausbildung,
welche ich mit Bravour meistere. Ich hoffe Mutter und Vater sind von Stolz
erfüllt, wenn ich Heim kehre und ihnen die frohe Kund überbringe. Meine Tage
auf See sind von Einsamkeit geprägt, aber ich fühle mich dennoch erfüllt von
dem vielen Wissen. Gestrige Nacht befanden wir uns in einem schlimmen Sturm,
welcher den Kreuzer Emden böse zugerichtet hat. Wir sind nun den ganzen Tag
beschäftigt gewesen, mühsam die Schäden zu beseitigen, aber auch das gehört
dazu.
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes Tagebuch, 22.09.1940
der große Tag ist nun endlich gekommen, heute werde
ich meine erste Feind fahrt bestreiten. Wir reisten die vergangenen Tage in
Richtung Afrika, welches wir heute erschöpft erreichten. Es ist brütend heiß
und mich plagt der Durst, aber ich will mich nicht beklagen und keine Schwäche
zeigen. Ich frage mich, wie sich Hitlers Macht auf das Deutsche Reich auswirkt
und welche schlimmen Verbrechen dort geschehen. Wieder einmal fühle ich große
Dankbarkeit durch die Marine der NSDAP zu entkommen.
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes Tagebuch, 27.09.1940
heute
stellte ich meine
Ausbildung zum Wachoffizier und die U-Bootausbildung fertig. Ich fühle mich nun
wie ein richtiger Bestandteil der Marine. Meine harte Arbeit und mein eiserner
Wille haben sich bewährt und ich bin von Freude und Stolz erfüllt. Ich wünschte,
meine Eltern könnten diesen besonderen Anlass mit mir zusammen feiern, sie
fehlen mir sehr. Hitlers Machenschaften zerren mich dennoch in die grausame
Wirklichkeit zurück.
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes Tagebuch, 28.09.1940
nach dem gestrigen Erfolgserlebnis geht meine
Karriere nun weiter. Ich wurde am heutigen Tage in der zweiten Lehrdivision in
Gotenhafen als Kompanie-Offizier stationiert. Immer noch plagt mich der
Wissensdurst, jedoch vermisse ich meine Kameraden des leichten Kreuzer Emdens,
welche ich überstürzt verlassen musste. Nachdem ich das ferne Afrika verließ
und in das Deutsche Reich zurückkehrte, wurde mir die drastische Situation und
Grausamkeit, die in Deutschland herrscht, abermals schmerzlich bewusst.
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes Tagebuch, 06.04.1941
die Tage auf See erscheinen mir wie eine Ewigkeit.
Meine Kameraden der zweiten Lehrdivision wachsen mir immer mehr ans Herz, dies
macht die Einsamkeit erträglicher. Ich strebe die Beförderung zum Oberleutnant
zur See an und hoffe so, meine Eltern abermals mit Stolz zu erfüllen. Ich bin
am heutigen Tage 23 Jahre alt geworden und meine Kameraden überraschten mich
herzlichst mit einem arbeitsfreien Tag. Diesen nutze ich nun, um meinen
Liebsten einen Brief zu senden. Außerdem entspannte ich meinen, von der harten
Arbeit geschundenen Körper in der warmen Frühlingssonne. Die Möwen kreischen
über meinem Kopf und mich packt der Gedanke, wie utopische das Leben der
Vogeltiere sein muss und wie gern ich ein Gleichgesinnter wäre, denn so könnte
ich dem Krieg und somit Hitler den Rücken zu kehren. Ich wünschte, ich wäre für
immer frei!
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes Tagebuch, 01.09.1941
am heutigen Tage erreichte ich mein Ziel zum
Oberleutnant zur See befördert zu werden! Ich ergötze mich an dieser Auszeichnung
und ich spüre den Neid meiner Kameraden. Ein Brief ist bereits zu meinen Eltern
unterwegs, wie gerne hätte ich den heutigen Tag mit ihnen verbracht, ich spüre
Sehnsucht bis in die tiefsten Ecken meines Herzens. Damit erfüllte ich Vater
und mir nun einen lange ersehnten Traum. Ich hoffe meine Familie erfreut sich
bester Gesundheit, die nicht durch Adolf Hitler beeinträchtigt wird. Ich bin
sehr besorgt.
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes Tagebuch, 10.11.1941
heute
feiere ich einen weiteren Triumph meines Marineaufenthaltes. Ich erhielt vor wenigen Stunden das
Eiserne Kreuz 2. Klasse. Ebenso nahm ich das Marine Kriegsabzeichen mit Freude
entgegen. Ich muss mich nun bald von den Kameraden der zweiten Lehrdivision
verabschieden, da ich auf das U-Boot „U-103“ in Loriet wechsle. Ich freue mich
sehr auf die U-103 und auf die neuen Abenteuer, die mich erwarten. Mein
Wissensdurst ist immer noch nicht verebbt und ich sehe den Wechsel als große
Chance an.
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes Tagebuch, 03.01.1942
ich bin
nun seit einiger Zeit auf der U-103 stationiert und bin von 47 fähigen Kameraden umgeben. Ein
Großteil ihrerseits ist sehr belesen und bringt viel Erfahrung mit. Ich erfuhr
in kurzer Zeit erstaunliche und durchaus interessante Dinge, unter anderem,
dass die U-103 am 12.04.1940 vom Stapel lief und am 05.07.1940 in den Dienst
gestellt wurde. Beim Betrachten der Ausstattung des Bootes fiel mir bereits
auf, das alles sehr neuwertig und modern erscheint. Ich freue mich mein Wissen
hier nun endlich gebührend anwenden zu können. Jedoch plagen mich im innersten
die privat terroristischen Gelüste und Befehle Hitlers. Ich will mir das Leid
der unterdrückten Menschen nicht ausmalen. Kein Mensch sollte aufgrund seiner
Herkunft benachteiligt oder gar getötet werden und mir ist bewusst, dass ich,
wenn jemand dieses Tagebuch finden wird, wahrscheinlich selber sterben muss,
aber dies nehme ich in Kauf.
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes Tagebuch, 02.02.1942
heute ist der Tag des Aufbruchs gekommen, meine
zweite Feind Fahrt beginnt unmittelbar. Das gesamte U-Boot ist in Aufruhr und
ich spüre die Nervosität, die sich wie Nebel um die U-103 gelegt hat. Es geht
in Richtung Atlantik und dann weiter zur amerikanischen Küste, ich spüre Freude
und Aufregung gleichermaßen. Jedoch bin auch ich, wie so viele meiner Kameraden
besorgt, denn niemand von uns weiß, ob unsere Liebsten noch leben werden, wenn
wir in etwaigen Tagen zurückkehren. Die Anspannung ist groß und der Abschied
fiel erneut sehr schwer. Hitlers Gräueltaten spitzen sich weiter zu und ich
frage mich wohin all dies noch führen soll, der Tod und die Zerstörung legen
sich wie ein dunkler Schatten über das Deutsche Reich und ich schäme mich
zutiefst nicht mehr unternehmen zu können, als meine Gedanken und Gefühle hier
nieder zu schreiben. Ich redete in den vergangenen Tagen offen mit dem
Kommandant und dem Offizier Abel und Druschel, welche mir versprachen, meine
Informationen vertraulich zu behandeln. Ich hatte das Gefühl sie verstünden
mich, ein Gefühl der Utopie.
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes Tagebuch, 15.07.1942
mein
letzter Tag auf
der U-103 bricht nun an. Dies hätte ich niemals für möglich gehalten. Ich
verbrachte mit diesem Boot 258 Tage auf See, bei Sturm und Sonnenschein und
nahm an insgesamt vier Patrouillen teil. Ich habe viele wertvolle Erfahrungen
unter der Führung von zwei sehr fähigen Kommandanten gesammelt und bin
überglücklich und froh diese Chance ergriffen zu haben. Außerdem erhielt ich am
22.06. nun auch das „Eiserner Kreuz erster Klasse“ und bin nun in der Lage
meine Kommandantenausbildung in Memel zu beginnen. Insgesamt versenkten wir mit
der U-103 triumphierend 31 Handelsschiffe.
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes Tagebuch, 17.08.1942
ich bin nun offiziell ein Kommandant. Kommandant
Oskar Heinz Kusch. Die Worte zergehen mir, wie Schweizer Schokolade auf der
Zunge. Die 24 U-Flottillen Memels haben meinen Wissensdurst gestillt. Ich freue
mich bald für ein paar Tage zu meiner Familie zurück zu kehren und Zeit mit
ihnen zu verbringen, es gibt so viel zu erzählen! Jedoch habe ich Angst das
Festland zu betreten, denn mir wird schwarz vor Augen, wenn mir all die
Grausamkeit entgegen schlägt, all die Zerstörung und all der Hass. Wie konnte
das Deutsche Reich nur so tief sinken?
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes
Tagebuch, 08.02.1943
heute ist es endlich passiert. Mir wurde endlich das
Kommando über ein U- Boot erteilt. So viele Jahre habe ich davon geträumt.
Immer wieder mit solchen Träumen eingeschlafen. Doch
nun ist es echt! Ich habe das Kommando über die U-154 überreicht bekommen. 48
tapfere Männer wurden mir untergeordnet. Endlich hat dieses gottverdammte
Deutschland mir etwas Gutes getan. Auch weiterhin ist die Wehrmacht der einzige
Ort, an dem ich nicht die NSDAP unterstützen muss.
Ein Traum hat sich heute leider noch nicht verwirklicht. Ich wünsche mir so
sehr, dass Hitler bald das Weite sucht. Dieser rechtsradikale Spinner hat in unserem Land nichts verloren. Ich sehe es schon kommen, er wird
uns alle ins Unglück stürzen. Und dieser Krieg…
Naja, heute
ist mir erstmal zum Feiern zu Mute. Keinen Gedanken werde ich heute dem „Führer“ schenken, es
sei denn ich lese seine Todesanzeige!
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes
Tagebuch, 20.03.1943
heute ist für
mich ein ganz besonderer Tag. Ich breche zu meiner ersten Feindfahrt auf. Ein
bisschen mulmig ist mir schon, wenn ich gleich an Bord gehe. Dich, liebes
Tagebuch, nehme ich natürlich mit und melde mich bei dir, wenn es etwas Neues
gibt. In den ersten Tagen habe ich bestimmt viel zu
tun. Die Crew muss geordnet werden und man muss sich untereinander
kennenlernen.
Eines habe
ich mir schon fest vorgenommen. Ich werde alle Bilder dieser dreckigen Nazis
abnehmen und an Land schließlich verbrennen. Solche
Unheilbringer möchte ich nicht täglich sehen müssen.
So nun muss
ich erstmal Schluss machen, denn es geht jetzt los!
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes
Tagebuch, 15.05.1943
zunächst muss
ich mich bei dir entschuldigen. So lange habe ich mich nicht mehr bei dir gemeldet. Ich hätte nie gedacht, dass ich so
viel zu tun habe als Kommandant. Überall werde ich gebraucht und mein Rat ist
überall gefragt. Abends sitze ich gern mit der Mannschaft zusammen und wir
hören einander zu.
Bei uns an
Bord ist eine bunte Mischung aus Nationalsozialisten
und Gegnern, sowie mich. Heute Abend machte ich das, was ich dir im letzten
Eintrag versprochen hatte.
In der
Kantine hing der Führer höchst persönlich an der Wand. Jeden Tag musste ich
dieses Schwein angucken. Diese leeren Augen. Der
Scheitel und das kleine Bärtchen. Einfach abscheulich! Warum hat Deutschland
kein seriöses Staatsoberhaupt sondern so einen eingebildeten Nazi?!
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes
Tagebuch, 03.07.1943
heute war ein
grausiger Tag. Unsere Immer geliebten Freunde vom U-126 wurden
abgeschossen. Überlebende gibt es wahrscheinlich nicht. Mir ist heute
angesichts des Schicksals der Männer nicht groß zum Schreiben zu Mute.
Wir beide
wissen, dass dieses schreckliche Schicksal auch uns heimsuchen kann und schneller als wir gucken können, liegen wir
mausetot auf dem Meeresgrund des Nordatlantiks.
Du hast es
dir sicher denken können, ich schreibe dir nur noch wenn etwas wirklich
Wichtiges passiert, weil ich im Moment andere Aufgaben habe. Sei mir bitte nicht böse!
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes Tagebuch, 02.10.1943
die erste
Feindfahrt ist vorüber. Heute bin ich zu meiner Zweiten aufgebrochen.
Mittlerweile ist es schon Routine seinen Seesack zu packen und das letzte Mal
die nun frische Herbstluft einzuatmen. Ich bin
gespannt was diese Fahrt einbringt und hoffe, dass sie gut endet!
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes
Tagebuch, 30.12.1943
bald ist
dieses positiv verlaufende Jahr schon wieder hinüber. Mit diesem Jahr werde ich
natürlich immer meine Beförderung in Erinnerung
behalten. Aber natürlich auch die Feindfahrten.
Heute war ein
merkwürdiger Tag. Wie so oft stritten wir über Hitler. Abel und Droschel sind typische Nazis, zu den man nicht mehr sagen muss.
Heute diskutierten wir sehr lange und beide Seiten waren am Ende sehr
aufgebracht. ich glaube die beiden halten wirklich viel von Hitler. Doch wie du
weißt halte ich gar nichts von ihm. Ich wollte Ihnen
klar machen, dass es der reine Wahnsinn sei, was Hitler machte. Kein Mensch auf
der Welt, darf ganze Völker, wie die Juden ausrotten. Gerade die Juden, die uns
nun wirklich nichts getan haben. Abel und Droschel sahen das natürlich anders
und fingen wieder an mich als Vaterlandsveräter zu
beschimpfen. Ich erkannte, dass ich wieder einmal den Kürzeren ziehen musste
und verkroch mich hier Zünder auf die Kajüte.
In Liebe,
Oskar Kusch
Liebes
Tagebuch, 20.01.1944
dies wird einer meiner letzten Tagebucheinträge sein. Ich
befinde mich gerade in Frankreich, genauer gesagt in Lorient und später in
Angers. Mein Feindfahrt habe ich grade beendet und wurde aus heiterem Himmel verhaftet. Nun befinde
ich mich in Untersuchungshaft. Sie haben mich von
Lorient nach Angers in die Haftanstalt gefahren. In den nächsten Tagen werde
ich nach Kiel zum Gericht gebracht. Momentan ist mir noch nichts klar, von dem
was hier passiert. Mir bleibt nur eines und das ist abwarten und beten.
In Liebe, Oskar Kusch
Liebes
Tagebuch, 26.01.1944
heute wurde ich wegen „Zersetzung der Wehrkraft und wegen
Abhörens von Auslandssendern“ verhaftet. Auch soll ich gegen die „Greuelpropaganda“ geschimpft
haben. Nun werde ich hier am Schießstand wahrscheinlich in den nächsten Wochen
oder Monaten erschossen, wie alle anderen die sich gegen unser System der
Unterdrückung aufgebäumt haben. Ich werde meine Meinung auch weiterhin nicht
ändern. Adolf Hitler ist der falsche Mann der unser
Deutschland durch den Krieg lenkt. Er hätte schon längst einsehen müssen, dass
der Krieg nicht zu gewinnen ist und dass es sinnlos ist, so viele Menschen zu opfern. Lange, liebes
Tagebuch, bleibt mir keine Zeit mehr mit Dir. Der
Abschied naht. Ich hoffe,
dass sie dich nicht
vernichten, sondern meinen Eltern zukommen lassen. Die werden dich aufbewahren
und später einmal, wenn dieser ganze Wahnsinn beendet ist und Hitler zur
Rechenschaft gezogen wurde, an die Öffentlichkeit
bringen. Ich höre Schritte auf dem Gang. Ich glaube jetzt kommen sie. Du warst
mir immer ein treuer, lieber Begleiter!
In Liebe,
Oskar Kusch
OL Oskar Kusch am 12. Mai 1944 an seinen Vater
„Mein lieber Vati – alle Hoffnungen sind nun zu Schanden
geworden. Das Urteil wird um 06.30 vollstreckt werden. Es fällt mir nun schwer,
unter der Macht des bevorstehenden letzten Ganges zu schreiben. Sprechen
konnten wir uns leider nicht mehr und zu sagen gibt es angesichts des nahen
Todes nicht viel. Es hätte schön sein können – das Leben – ein sinnloses
Schicksal hat alles zerstört und zerrissen. So kann ich Dir in diesem
Augenblick, in dem meine Gedanken bei Dir sind, nur noch einmal für alles Gute
und Liebe danken und einmal mir bessere Zukunft wünschen. Es ist alles so
schwer und trostlos für mich in diesen letzten Stunden – ich denke nur an Dich,
Deinen großen Schmerz - an die Zukunft, die ich nicht mehr erleben werde. Das
alles ist nun endgültig vorbei für ewig – Mein lieber guter Vati, es ist so
traurig, dass uns dieses Schicksal beschieden sein musste. So nimm denn meine
letzten herzlichsten Grüße und Danksagungen hin – ich werde immer bei Dir sein,
bis es einmal vielleicht irgendwo eine Vereinigung gibt. Leb wohl mein Vati –
vergiss, wenn ich Dich irgendwann kränkte, Du hattest und hast deshalb
gleichwohl stets den Platz in meinem Herzen gehabt, den Du haben solltest. Es
war die unruhige Jugend, die mich herumtrieb. Das was versäumt wurde aufzuholen
ist nun nicht mehr Zeit. Nimm es hin als geschehen. Ich umarme Dich, drücke
Deine Hände und bin in alle Ewigkeiten Dein getreuer Oskar. Grüß auch Frau Eger
herzlich von mir“
Das Todesurteil wurde vier
Stunden später vollstreckt. Vergeblich bemühte sich Kuschs Vater, Oskarheinz
Kusch, nach dem Krieg die Rechtmäßigkeit des Urteils aufheben zu lassen und
seinen Sohn zu rehabilitieren. Dies ist formaljuristisch erst unter
Bundeskanzler Schröder in Form einer pauschalen Aufhebung von NS-Urteilen
geschehen.
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Oskar Heinz August Wilhelm Kusch wurde wegen
Verbrechen gegen § 5 Absatz 1 Ziffer 1 und 2 der Kriegssonderstrafrechtsverordnung (KSSVO) und nach § 1 der Verordnung über außerordentliche
Rundfunkmaßnahmen angeklagt. Er wurde von Ulrich
Abel (Oberleutnant zur See auf demselben U-Boot) am 12.01.944 denunziert. Die
Einleitung des Ermittlungsverfahrens war am 16.01.1944. Die Verhaftung erfolgte
4 Tage später in Lorient/Frankreich (damals deutsches Besatzungsgebiet). Der
Prozess dauerte bis zum 26.01.1944 an. An diesem Tage wurde Kusch wegen
„Zersetzung der Wehrkraft“ und wegen „Abhörens von Auslandssendern“ zum Tode
und zu einem Jahr Zuchthaus verurteilt. Oskar Kusch verbrachte nur 106 Tage im
Zuchthaus und wurde am 12.05.1944 am Schießstand in Altenholz Knoop erschossen.
Großadmiral Dönitz lehnte eine Begnadigung ab. Werner Winter fand das Tagebuch
und schrieb die letzten Einträge.
Oskar ist Tod. 16.09.1996
ich, Werner Winter, als sein treuer Freund, werde die
Tragödie mit diesem
nun letzten Tagebucheintrag beenden.
Es fällt mir sehr schwer über die Geschehnisse der letzten Jahre zu
berichten.
Ich fand
dich, liebes Tagebuch, auf dem Dachboden seiner Eltern und ich beschloss, dass
ich Oskars immer geliebtes Tagebuch beenden werde.
Der Krieg ist schon lange vorbei. Oskar gerät langsam aber sicher in
Vergessenheit, bis Heute!
Heute ist ein Tag der Gerechtigkeit. Oskar Todesurteil wurde heute
zurückgenommen.
Ich weiß,
Oskar hat nicht mehr viel davon, er ist ja schon lange Tod. Doch es ist ein
Zeichen für den Wandel in der Gesellschaft. Deutschland hat sich entwickelt und
wie!
Doch lass
mich berichten was nach Oskars Tod im Jahre 1944 alles passiert ist.
Wir, die
Familie, Freunde und andere Sympathisanten von Oskar waren in tiefer Trauer.
Wir konnten das Geschehende nicht fassen!
Für Oskars
Vater war eines jedoch klar. Niemals würde er das Urteil gegen seinen Sohn so
hinnehmen. Doch nachdem Oskar nach grausamen Tagen der Angst, erschossen wurde,
konnte sein Vater nicht handeln. Noch nicht!
Hitler lebte
noch und das Nazi Regime rechnete noch mit einem Sieg im Krieg. So schien es
noch nicht möglich Hitler und sein Pack zu Rechenschaft zu ziehen. Klar, Kusch
wusste, dass niemals Hitler persönlich für den Tod seines Sohnes bezahlen
müsste. Doch Herr Hagemann, der das Urteil gegen unseren immer treu geliebten
Oskar aussprach, den kann man sicher zu Rechenschaft bringen.
1946 war es
dann endlich so weit. Kusch klagte offiziell gegen den zuständigen Richter Karl
Heinrich Hagemann. Es dauerte aber weitere drei ganze, schwere Jahre bis es
endlich zudem Prozess gegen Hagemann kam. Es war eine lange Zeit, die voller
Ungewissheit war. Oskar war Tod, das war uns allen natürlich klar, aber das
Wissen der Unschuld war uns allen sehr sehr wichtig. In den Jahren passierte
aber nichts Nennenswertes. Wir lebten vor uns hin, immer mit Oskar in unseren
Gedanken. Die Jahre verstrichen. Der Krieg war schon lange zu Ende. Deutschland
war in einem Umbruch. Wir alle hatten mit den Kriegsfolgen zu kämpfen.
1949 fing es
dann endlich an. Wir alle waren voller Erwartungen. Lange und anstrengende
Prozess Tage standen vor uns. Die Stunde der Entscheidung kam immer näher. Wir
alle hatten viele lange schlaflose Nächte, bis in neue Jahr hinein. Parallel
dazu fanden viele andere, unserem sehr ähnlich, in Nürnberg statt.
Unser Prozess
gegen Karl Heinrich Hagemann, liebes Tagebuch, ging leider völlig in die Hose.
„Wegen Mangel an Beweisen“ so lautete der Freispruch gegen diesen Dreckskerl!
All diese
Jahre der Qual haben nicht das lang ersehnte Ende genommen. Wir alle konnten
immer noch nicht mit dem ganzen Thema abschließen. Liebes Tagebuch, in der Zeit
in der du verstaubt auf dem Dachboden lagst, alterten wir alle und gingen nach
und nach von uns.
Der
schmerzlichste Verlust war sicherlich der Tod von Oskars Vater.
Auch ich habe
nicht mehr sehr viel Lebensenergie muss ich Dir gestehen. Aber was heute
passiert lässt mich neue Lebensfreude tanken.
Nach so
langen Jahren wurde heute, wir schreiben das Jahr 1996, das Todesurteil nach
Paragraph 1 gemäß Absatz 1 von der Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein
zurück genommen!
So, liebes
Tagebuch, das sind nun die letzten Zeilen, die in dir
niedergeschrieben werden. Ich werde mich jetzt zurücklehnen und meinen
Lebensabend genießen. Ganz entspannt mit dem reinen Gewissen über meinen treuen
und immer geliebten Freund Oskar Kusch.
In ewiger
Treue,
Werner Winter
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